F.A.Z. Leserbrief - Keiner stirbt für sich allein

Eine Anmerkung von:
Dr. Ursula Grooterhorst, Rechtsanwältin, Mediatorin und Coach

Zum F.A.Z. Gastbeitrag „Keiner stirbt für sich allein“
von Gerhard Wegner

Am 14.1.2021 erschien in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Nr. 11 Seite 12 ein Artikel von Gerhard Wegner unter dem Titel „Jeder stirbt für sich allein“, in dem der Verfasser feststellte, dass die Kirchen nutzlos geworden sind und dass es auch Gott heute nicht mehr braucht.

Was bewegt den Autor, lange Ausführungen über die Nutzlosigkeit von Kirchen und Religion zu verfassen und dabei auf Zitate von bekannten Personen, die ähnlicher Auffassung sind, zurückzugreifen?

Man kann nur vermuten, dass der Verfasser als Mann der Kirche (EKD) auf Enttäuschungen und nicht erfüllte Erwartungen blickt, die ihn zu endlosen Vorwürfen gegen Kirche und Religion veranlassen. Trotz aller Verbitterung über die vorgeblichen Leistungsdefizite der Kritisierten endet der Beitrag mit einem letzten Versuch des Verfassers, die Kirche in die richtige Richtung lenken zu wollen, nämlich mit der Aufforderung „ ….dem Einbruch der Fülle des Lebens standzuhalten als Beitrag zur Bewältigung der Krise“.

Mit diesem Wunschdenken scheint er der Kirche und der Religion noch eine Chance geben zu wollen. Eine Widerlegung der vielfältigen Vorwürfe, die der Verfasser der Kirche macht, ist in einem Leserbrief nicht möglich.

Wohl aber ist es möglich, den Verfasser an dasjenige zu erinnern, das er wahrscheinlich einmal gewusst und erspürt hat. Bei Kirche und Religion geht es nicht um Nutzen, sondern es geht um die Beziehung des Einzelnen zu Gott. Die höchstpersönliche und intime Qualität dieses Verhältnisses zwischen Gott und dem einzelnen Menschen hat existenzielle Wirkung, die nicht mit einer Nutzenrechnung begründet werden kann. Es ist die Beziehung des Einzelnen zu Gott, die eine „Kirche“ entstehen ließ und die auch immer noch dort entsteht, wo Menschen des gleichen Glaubens zusammentreffen. Dieser gelebte Glaube entfacht ein Feuer, das viele andere suchen, die es nicht in sich tragen. Bei aller Fehlerhaftigkeit der „Kirche“, die weder negiert noch kleingeredet werden soll, die aber einer irdischen, menschlichen Institution immanent ist, darf das Verbleibende und Entscheidende, das existent ist, nicht übersehen werden.

Artikel über die Nutzlosigkeit einer Kirche und des in und mit ihr gelebten Glaubens sind wenig hilfreich, weder um sich am Feuer zu wärmen noch um das Feuer weiter zu entfachen. Es wäre zielführender, sich darauf zu besinnen, was Glaube und Kirche wirklich sind. Es geht dabei nämlich um Beziehung zwischen Gott und dem Individuum, ein Verhältnis, dessen Essentiale die Liebe ist, die in einer – wie sich heute zeigt - hoch gefährdeten Welt unverzichtbar ist. Dann stirbt keiner allein.

Siehe hierzu auch Leserbrief von Dr. Ursula Grooterhorst, Düsseldorf,
in: F.A.Z vom 21.01.2021 Nr. 17, Seite 21

Ressort Politik: Briefe an die Herausgeber vom 21. Januar 2021


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